Bauanleitung für eine Schwertscheide

„Ein schönes Schwert gehört, außerhalb des Trainings, in eine passende Schwertscheide.“

Für scharfe Waffen sollte sich dieser Grundsatz -alleine schon ais Sicherheitsgründen- von selbst verstehen. Ich persönlich neige schon länger dazu, ihn auch auf stumpfe Trainingswaffen zu übertragen, aus vielerlei Gründen.

 Gründe für eine Schwertscheide

Wozu braucht man so ein Ding überhaupt? Nun, wirklich „brauchen“ tut man eine Schwertscheide nur dann, wenn man ein Schwert am Gürtel führen will, z.B. im Rahmen einer historischen Veranstaltung. Doch kann es weitere Gründe geben. Zum einen bekenne ich mich dazu, ein Schwerter-Snob zu sein: Ein Teil meines Material-Budgets investiere ich in die Anschaffung von hochwertigem Trainingsgerät, und mit Vorliebe bediene ich mich hierbei aus dem mittel-bis hochpreisigen Feld. Und Schwertern tut es nun mal auf Dauer nicht gut, wenn sie ständig mit anderen Stahlwaffen in der gleichen Transporttasche geschüttelt werden. Sicher, auch ich werfe auch schon mal Schwert, Feder, Rapier, Langes Messer und Linkhanddolch in die dicke Tasche (den Buckler gleich noch hinten drein), bekomme dann gerade noch den protestierenden Reisverschluss zu und schmeiße das klappernde Paket dann mit Schwung auf den Rücksitz. Aber: Ich tue das mit verkniffenem Gewicht und einem schlechten Gewissen, wenn ich daran denke, wie sich die Klingen gegenseitig zerkratzen. Sicher, beim Training zerkratzen sie sich dann später sowieso …aber irgendwie lässt mich der Gedanke nicht los, dass meine Schätze eine bessere Behandlung verdient haben. Zum Anderen –und das ist neben dem Führen wohl die wichtigste Applikation- ist eine Schwertscheide ideal für die wohlbehütete Lagerung der Waffe zwischen den Trainingseinheiten. Sie schützt die Klinge vor Flugrost, insbesondere dann, wenn sie gefüttert ist und das Futter mit einigen wenigen Tropfen Öl getränkt wird, so dass die Klinge bei jedem Ziehen eingefettet wird.
Zum dritten bin ich Ästhet und, wie die meisten Fechter, ein bisschen geschichtsvernarrt. Der Gedanke, im Schwert nicht nur ein banales Sportgerät zu sehen, sondern zugleich Kunstgegenstand und Zeugnis historischer Handwerkstradition gefällt mir einfach. Schimpft mich einen Folklore-Traditionalisten: Aber für mich ist ein Schwert erst mit Scheide und Gürtelmontierung vollständig. Gleichzeitig sehe ich natürlich ein, dass man diesen Anspruch nicht auf jede zerschartete Rumpelfeder übertragen kann (Überhaupt: Federschwerter hatten wahrscheinlich keine Scheiden und wurden vom Fechtmeister wohl einfach in Schubladen und Truhen gelagert… zumindest sind mir entsprechende Erwähnungen aus Schriften der Marxbrüder bekannt). Aber bei der Stahlakademie trainieren wir im regulären Training mit deutlich schwertähnlicheren Simulatoren und ich bekenne mich mit meinen über 20 Schwertern zur Sammlerwut. Wenn man über 500,- € und mehr für ein Schwert von gewisser historischer Akkuratesse ausgibt, kann man ihm auch gleich eine Scheide angedeihen lassen. Leider liefern die meisten Schmiede –auch nicht gegen Aufpreis- ihre Produkte nicht zusammen mit einer Schwertscheide aus. Und wenn, dann sind es oft die gefürchteten „Lederkondome“, welche Auge und Klinge beleidigen.

Und da kommen wir bereits zum letzten Argument: Falls man doch mal mit dem Ding auf einem historischen Event herumlaufen möchte, wäre es doch nett, wenn man nicht ständig auf die Peinlichkeit einer Fantasy-Schwertscheide hingewiesen wird.

Deshalb bin ich inzwischen dazu übergegangen, meine Schwertscheiden einfach selber zu bauen. Handwerk macht mir Spaß, insbesondere dann, wenn man sich dabei noch künstlerisch austoben kann.

Semi-historischer Anspruch

Die folgende Anleitung zeigt Schritt für Schritt, wie ich eine Schwertscheide mit Holzkern  baue, die sich an historischen Vorbildern und Methoden orientiert. Im Design habe ich mich von Schwertscheiden aus dem 15. Jahrhundert inspirieren lassen. Leider sind sehr wenig originale Schwertscheiden aus dem Mittelalter erhalten geblieben, so dass ich mich bei der Optik vor allem an Gemälden orientieren musste. Was die Bauweise anbelangt, bieten die wenigen erhaltenen Stücke interessante Einblicke. Ich selbst konnte eigenhändig Waffenscheiden aus dem 16. – 18. Jahrhundert studieren und deren Bauweise ableiten. Die Erinnerung an diese Handling-Sessions, z.B. in der Wiener-Hofjagd- und Rüstkammer, waren mir hilfreich.
Mir ist bewusst, dass die Reenactoren-Szene inzwischen höchste Maßstäbe an den Begriff der historischen Akkuratesse stellt, deshalb bezeichne ich das folgende Machwerk nicht als „historisch korrekt“, als „A“ oder als „Replik“. Das geht alleine deshalb schon nicht, weil ich diese Scheide für ein stumpfes Trainingsschwert von Paul Bins gebaut habe und nicht für eine scharfe Schwert-Replik, die exakt nach einem existierenden Original angefertigt wurde.
Nichtdestotrotz habe ich versucht, möglichst nah an ein historisches „Look-and-feel“ heranzukommen und werde hier Methoden und Schritte präsentieren, die einige der typischen Hobby-Handwerkerprobleme lösen, mit denen auch Reenactoren mit musealem Anspruch konfrontiert sind, wie z.B.: „Wie bekommt man eine Schwertscheide stabil und doch filigran schlank?“, „Warum wird meine Naht nicht gerade“ oder „Wie schnitze ich Verzierungen ins Leder?“.
Dort, wo ich mit modernen Methoden und Materialien schummle, werde ich das angeben und auf die –nach heutigem Wissen und sofern bekannte- historisch belegbare Lösung verweisen. Historische Darsteller, die tief in die Materie eintauchen, werden sowieso selbstständig in der Lage sein, nur das aus diesem Blog-Artikel zu übernehmen, was ihrer Sache dienlich ist.

Alle Bereit und an Bord? Fein, dann geht es los!

1. Zuschnitt von 1 mm Birkenholz-Platten

Das Schwert, welches es „einzutüten“ gilt, ist ein einhändiges Trainingsschwert von Paul Bin aus England, grob orientiert am Oakeshott-Typ XIV. Da Bins trotz massiver Schlagkante und rundem Ort ein vergleichsweise originales Handling der Waffe garantieren wollte, hat er es mit den Hohlkehlen sehr gut gemeint und das Ergebnis ist eine Kreuzung zwischen Cinquedea und Spätmittelalter-Schwert, welches mit einem spätmittelalterlichen Kreuzleder nachgerüstet habe. Historischen Darstellern empfehle ich natürlich die Verwendung einer (semi-scharfen) Schwertreplik, Fechter nehmen einfach ihr Lieblingsschwert.

Schwertscheiden bestehen seit jeher einen Holzkern, der dann mit Leder ummantelt wird. In einigen (aber längst nicht in allen!) Fällen wird dieser Kern auch noch mit Leinenstreifen umwickelt. Mein Ziel war eine möglichst flache, elegante Scheide, die im Kontrast zum etwas bulligen Aussehen der Waffe steht, weshalb ich auf die Leinenstreifen verzichtet habe.

Es gibt wenig Originale, die geeignet sind, den Holzkern zu studieren. Die meisten bestehen aus zwei elastischen Hälften, die das Schwert auf den Flächenseiten einfassen und durch einen Streifen auf der Schneidenseite miteinander verbunden sind. Ich halte es ebenso, allerdings verwende ich keine zwei dicken Brettchen, sondern baue die Wände aus mehreren Schichten ganz dünnem Holzes schichtweise auf. Derartiges Funier ist mir Scheiden jagdlicher Messer aus dem 17. Jahrhundert bekannt und es ist perfekt dazu geeignet, maximal flache, grazile und doch stabile Scheiden zu bauen. Glücklicherweise ist ein solches Holz z.B. aus dem Flugzeug-Modellbau erhältlich. Überhaupt ist der Modellbau generell die bessere Bezugsquelle als der Schreinerbedarf. Die Seite Architekturbedarf.de z.B. führt feine Holzlatten aller möglichen Sorten, Stärken und Größen.

Für diese Scheide nehme ich Birkenholz von 1 mm Stärke, Linde wäre auch ein typisches Schwertscheidenholz gewesen. Vom –ebenfalls im Modellbau beliebten- Balsaholz rate ich dringend ab: es ist nicht nur unhistorisch, sondern bricht viel zu leicht. Dünne Holzlatten gibt es in vielen Dicken und Längen. Leider hatte ich hier nicht die Geduld für eine Internetbestellung, sondern habe zu kurze Platten aus dem Modellbauladen mitgenommen. Das macht allerdings nichts, ich habe das Ganze einfach aus zwei Platten konstruiert und versetzt geleimt.

Die Form der Scheide zu ermitteln, ist sehr leicht: Ich zeichne zuerst die Klinge ab und addiere dann 8 mm Rand. Der verlängerte Ort der Scheide wird harmonisch hinzu gezeichnet. Wichtig: Möchte man ein metallenes Ortband anbringen, sind dessen Bemaßungen bereits hier, im allerersten Arbeitsschritt, zu berücksichtigen! Ein akkurat angezeichnetes und ausgeschnittenes Stück fungiert als Blaupause für alle anderen.  Ein weiterer Vorteil der ganz dünnen Patten: Es wird keine Säge benötigt, um die Form auszuschneiden. Eine gute Schere genügt und das Arbeiten geht so ausgesprochen leise und sauber von der Hand! Insgesamt besteht jede Seite des Holzkerns aus zwei Schichten, ich muss also vier mal die komplette Form erzeugen. Die gewünschte Dicke der Wandung der späteren Schwertscheide wird durch die Anzahl und Dicke der Funierschichten bestimmt. Ich hate grundsätzlich zu dünnen Platten und mehr Schichten, wenn ihr die Wandung biegen wollt, dazu weiter unten mehr.

 

 

2. Verleimen der Wandschichten

Die Hölzer müssen sauber und ohne Verzug verleimt werden. Wie man sehen kann, bin ich faul und verwende modernen Holzleim. Wer den Anspruch hat, auch für die nicht-sichtbaren Teile nur historisch belegbare Materialien zu verwenden, muss sich im Netz nach den Rezepten für Glutin-Leime (Leime aus tierischen Erzeugnissen wie z.B. Knochenleim) umsehen und damit experimentieren. Das Verleimen funktioniert nur mit einer ausreichenden Menge an Schraubzwingen, denn durch die Feuchtigkeit quellen die Bretter leicht auf und biegen sich voneinander weg. Es ist außerdem unbedingt darauf zu achten, die Klemmen seitenversetzt anzubringen, damit das Gewicht der Klemmen gleichmäßig verteilt ist und sich nichts dauerhaft verbiegt: Vorsicht: Im „Urzustand“ sind derart dünne Hölzer zerbrechlich. Arbeitet besonnen und lasst euch Zeit.

3. Anzeichnen des Innenfutters

Das Innenfutter hat drei Aufgaben: Es pflegt die Klinge beim Stecken und Ziehen, es trennt die Klinge vom Holz und es macht die Schwertscheide so eng, dass das Schwert in ihr gehalten wird. Als Innenfutter sind (angeblich) geschorenes Lamm- und Katzenfell belegt, die mir bekannten Originale sind allerdings einfach mit Stoff ausgefüttert. Mit einem einfachen, nicht zu dicken Wollflies kann man hier wenig falsch machen. Stoff-Fanatiker können hier selbstverständlich das von Hand gefärbte Gewebe ihrer Wahl verwenden. Selbstverständlich benötigen wir zwei mal das gleiche Stück Stoff. Die Form der Klinge wird mit Schneiderkreide auf den Stoff übertragen, dann wird das Futter ausgeschnitten.

4. Einkleben des Futters

Wie man sehen kann, fällt es zumindest MIR nicht ganz leicht, mit einer Stoffschere gerade Linien auszuschneiden. Ich bin mir sicher, ihr könnt das besser… Das Futter wird auf die spätere Innenseite der jeweiligen Scheidenhälfte geklebt. Wie ihr seht, verwende ich einen modernen Kleber, fühlt euch nicht daran gehindert,  „authentisch“ zu leimen. Wie außerdem zu sehen ist, steht am späteren Scheidenmund etwas Holz über und hier passen die Funierschichten auch nicht exakt zusammen. Das liegt daran, dass ich die Scheide ein paar mm länger geplant habe, um noch etwas Luft bei der späteren Formgebung zu haben. Nichts wäre frustrierender, als wenn ich dem Scheidenmund seine finale Form gebe und dann passt das Schwert nicht mehr ganz hinein, weil ich zu viel Material entfernt habe…!

5. Vor dem Leimen: Klinge schützen!

Die meisten Holzleime sind hoch korrosiv und erzeugen schon bei kurzem Kontakt deutliche Blessuren in poliertem Stahl. Das finale Verleimen der Scheide sollte jedoch unbedingt direkt um die Klinge herum vollzogen werden, um Verzug zu vermeiden. Da beim Verleimen immer mal wieder Leim aus den Fugen quillt, müssen wir die Klinge zumindest am Rand (da wo später die Fugen sind) abtapen. Einfaches Krepp genügt. Der vollständig abgebundene Leim ist übrigens für die Klinge nicht mehr schädlich.

6. Den Rand konstruieren

Es gibt Leute, die bestehen darauf, Schwertscheiden aus exakt zwei Brettern zu bauen, die sie dann umständlich mit Stechbeiteln aushöhlen. Kann man machen, allerdings ist die hier gezeigte Sandwich-Bauweise nicht weniger historisch und weitaus bequemer. Beim Zuschneiden der beiden Hälften haben wir einen zusätzlichen Rand berücksichtigt. Auf diesen Rand konstruiere ich nun aus entsprechend zugeschnittenen Holzstreifen  die schneidenseitige Füllung der Schwertscheide. Dieser Streifen kann auch aus dickerem Holz sein, ich konzentriere mich hierbei an der Dicke der Schwertkante. Das Praktische dabei: Weil ich noch vom 3mm-Holz übrig habe kann ich so lange Material dazu geben, bis die Höhe exakt passt. Das Schwert dient mir hierbei immer wieder als Referenz und ich gebe so lange Material hinzu, bis ich den „Deckel“ auflegen kann und das Gefühl habe, dass es passt. Wer sicher gehen will, kann diesen Deckel sogar testweise mit ein paar Schraubzwingen fixieren und das Schwert probeziehen. Der Grip der Scheide um die Klinge sollte fühlbar sein, ohne das die Benutzung zur Kraftprobe wird.

Was auf den Fotos leider nicht zu sehen ist, ist die Konstruktion der Scheidenspitze. Vor dem Ort des Schwertes besteht die „Sandwich-Einlage“ des Holzes aus einem massiven Plattenstück in der Form der Schwertscheide, äquivalent zum Rand. Der Ort der Scheide, der über die Klinge hinaus führt, ist also nicht hohl, sondern massiv

In der folgende Grafik wird das Konstruktionsprinzip noch einmal schematisch verdeutlicht und ist eigentlich selbsterklärend. Aufmerksam machen möchte ich auf die leichte Biegung der Wand. Es ist dank der Verwendung ganz dünner Brettchen im Millimeter-Bereich nämlich sehr einfach möglich, die Form der Schwertscheide dem Klingenquerschnitt anzupassen. Die letztendliche Form hängt somit auch stark von der verwendeten Klinge ab. Ein scharfes Schwert mit hohem Mittelgrad wird logischerweise nach einer anderen Scheidenform verlangen wie mein geliebter „Tortenheber“ hier. Ein weiterer Vorteil von gebogenen Wänden ist, dass sie sehr eng anliegen und etwas Spannung auf die Klinge geben, so dass diese noch besser eingefasst wird. Will man eine leichte Biegung der Wände erhalten, muss der Randstreifen entsprechend flach sein. Es ist übrigens vollkommen OK und sogar willkommen, wenn der Rand an der Seite über die Platten hinaus ragt, denn er wird auch später, nach der endgültigen Formgebung, am weitesten heraus ragen.

7. Die finale Verleimung

Nun wird der Deckel schlussendlich aufgeklebt. Auch hier läuft nichts ohne Schraubzwingen, insbesondere deshalb, weil sich die Biegung der Platten dem Vorgang widersetzt. Wer nicht genug Zwingen besitzt, sollte sie alle 5 Minuten verlagern und jeden Bereich der Schwertscheide mindestens einmal großem Druck aussetzen. Das Werkstück sollte man nun über die Nacht in diesem Zustand ruhen lassen, damit der Leim vollständig abbindet.

Der fertig verleimte Holzkern am nächsten Tag ist stabil und bereits als Behältnis für die Waffe brauchbar. Noch sieht es ausgesprochen hässlich aus, aber das ändert sich bald. Das Kreppband an der Klinge kann nun entfernt werden.

7. Formgebung durch Schleifen

Für mich persönlich ist das einer der Arbeitsschritte, die mich am meisten befriedigen. Auf dem Bandschleifer wird aus dem unförmigen Holzklotz die elegante, abgerundete Form der späteren Scheide. Natürlich bekommt die Kante die meiste Zuwendung, hier muss man versuchen, den elegantesten parabolischen Winkel zu treffen, ohne versehentlich ein Loch in das gute Stück zu pfuschen. Die Spitze in eine Form gebracht werden, die mit dem späteren Ortband harmoniert und sich gut in dieses einsetzen lässt. Die Dicke des Leders muss hier natürlich berücksichtigt werden. Der Mund der Scheide sollte sauber mit dem Kreuz der Waffe abschließen.

Beim Abschleifen der Kanten kann es eventuell zu Einbrüchen der Faserstruktur im Holz kommen. Dann entstehen unschöne Furchen, die sich später eventuell durch das Leder abzeichnen können. Diese Furchen sollten mit Kitt gefüllt werden. Es gibt modernen Holzkitt im Baumarkt zu erwerben. Wer das Problem traditionell lösen mag, der sammle den beim Schleifen anfallenden Holzstaub und vermische ihn mit seinem Knochenleim, bis eine feste Pampe entsteht, die man mit den Fingern rollen kann. Diese Röllchen streiche man in die zu verkittenden Holzfugen und glätte sie mit einigen Tropfen Wasser und dem nassen Finger. Nach einigen Stunden kann man die so behandelte Stelle nachschleifen und wird erfreut feststellen, dass man eine ebenmäßige Oberfläche produziert hat, deren Farbe sogar der des umliegenden Holzes entspricht.

Hier noch einmal das bereits gezeigte Aufbauschema, zusätzlich mit der erwünschten Querschnittsform. Eigentlich ganz simpel:

Fertig! Ich persönlich mag ja Holz und mich sprechen vor allem die Maserungen der Kante sehr an… am liebsten würde ich hier nur noch Leinöl und Schellack applizieren, aber das geht natürlich nicht. Es gibt noch viel zu tun.

 

Noch einmal der Holzkern von vorne. Die Wände der Scheide sind lediglich 2 mm dick und doch sorgt die Schichtbauweise bereits für Stabilität. Auf diesem Foto ist auch gut die endgültige Form des Querschnitts zu erkennen.

8. Applikation von 3D-Elementen

Je nach Zeitfenster und Vorlage möchte man eventuell Taillierungen, Längsgrate ect. realisieren.  Die von mir angedachten Taillierungen sind fünf an der Zahl. Zwei Paare dienen später der besseren Fixierung der Gürtelmontierung, die fünfte ist etwas dünner und verziert einfach die Scheide näher am Ort.
Herausragende Elemente müssen direkt auf den Holzkern aufgebracht werden (oder auf die Leinentuchwicklung, wenn welche aufgebracht wurde) und zeichnen sich später unter dem Deckleder ab. Mein dringender Rat dazu ist es, nicht zu übertreiben! Man unterschätzt leicht, wie stark sich derartige Elemente später durch das Leder prägen und wie sehr sich die Dicke des Leders auf die Taillierungen addiert. Allzu schnell sieht so etwas dann plump und wuchtig aus. Ich rate dazu, bei solchen Strukturen unbedingt im niedrigen Millimeter-Bereich zu bleiben. In diesem Beispiel hier habe ich es leider übertrieben, halb so dicke Lederstreifen hätten vollkommen ausgereicht. Außerdem runde ich die Kanten mit einem Schnitzmesser ab.

9. Wahl des Leders und Zuschnitt

Vorher noch ein Wort zum Leder: Wer billig kauft, kauft zweimal. Billigleder, Spaltleder, Velours-Leder usw. erzeugen hässliche Ergebnisse. Wer sich an historischen Vorbildern orientieren will, kommt an ungefärbtem Naturleder sowieso nicht vorbei. Für diese Schwertscheide verwende ich ungefärbtes spanisches Ziegenleder, vom Händler angegeben mit 1,2-1,5 mm Dicke mit schöner Hautstruktur. Von der Verwendung dünneren Leders, wie man es z.B. für Schwertgriffe verwendet, rate ich bei Schwertscheiden ab, insbesondere dann, wenn man das ganze noch ein bisschen formen will. Eine gute und zuverlässige Bezugsquelle für taugliches Naturleder ist der Lederversand Berlin.

Mittelalter-Puristen sollten darauf achten, Leder mit einer zum gewünschten Zeitfenster passenden Gerbungtechnik (sämisch- und Lohgerbung) zu verwenden.

Der Zuschnitt ist mit Sicherheit einer der schwersten Arbeitsschritte. Ich selbst habe bei meinen Schwertgriffen und Dolchscheiden schon so manchen Verschnitt beklagen müssen. Ziel ist eine gerade, auf Stoß genähte Naht über eine der beiden Scheidenseiten. Hierbei gibt es nur einen richtigen, idealen Schnitt: Lässt man zu viel Leder übrig wird die Naht zu knubbelig, der ganze Überzug locker und faltig. Schneidet man zuviel weg, kann man das ganze Stück getrost zu den Lederresten werfen. Meiner Erfahrung nach nützt umständliches Messen und kompliziertes Anzeichnen wenig, irgendwo vertut man sich immer, denn so eine langsam zulaufende Schwertscheide ist, geometrisch gesehen, ein ziemlich zickiges Objekt.
Die besten Ergebnisse erziele ich, ohne Witz, mit der „Immer-wieder-Anlegen-und-Nachkorrigieren- Methode“.
Hierzu zeichne ich die Form der Scheide einmal auf die Innenseite des Leder auf und nähere mich der idealen Form dann durch vorsichtiges, mehrmaliges Schneiden an. Die einzelnen Radii teste ich immer wieder, indem ich eine  Seite bis auf die Mitte der Schwertscheide umschlage und die andere Seite dann „auf Zug“ anlege. Es ist äußert hilfreich, wenn man die Mittellinie, welche die spätere Naht markiert, vorher auf dem Holzkern angezeichnet hat. Dieses ständige „Try-and-error“ wirkt zwar umständlich, aber ich habe bislang keine bessere Methode gefunden… zumal ja auch der Holzkern (zumindest bei mir) geometrisch nicht perfekt wird und der Lederüberzug an die leichten Schwankungen angepasst werden muss.
Durch die von mir angestrebten Taillierungen wird er Zuschnitt noch einmal zusätzlich verkompliziert, denn diese vergrößern lokal den Radius, hier muss etwas mehr Leder (aber nicht zu viel!) übrig gelassen werden.

10. Vorstechen der Naht

 

Vor dem Vernähen sollte die Naht vorgestochen werden. Einerseits erleichtert das das Nähen ungemein, andererseits sorgt es für einen viel gleichmäßigeren Abstand der Nähte. Ich lege die Ränder des Leders exakt aufeinander und punktiere es dann mit einem geraden Stichel, der einen handlichen Griff hat. Das Ganze geht viel schneller, wenn ihr die Ahle einfach nur anlegt und oben einmal mit einem Hammer klopft. Bitte beachtet, dass die beiden Seiten des Leders gegen den Ort hin eine leichte Kurve haben und beide Seiten wahrscheinlich nicht perfekt symmetrisch sind, wenn ihr nach meiner Anlege-Methode vorgegangen seid. Ihr müsst während des Vorstechens der Naht somit immer wieder nachjustieren und die beiden Hälften ein bisschen zurecht rücken, damit nicht eine Seite mehr Löcher bekommt als die andere. Es hilft, sich den Überzug grundsätzlich als dreidimensionales Objekt mit seinen Krümmungen vorzustellen. Zur Überprüfung kann man das Leder jederzeit kurz um den Holzkern legen.

10. Kleben und Nähen des Leders

Genäht wird mit einer stabilen Rundnadel. Das traditionelle Material ist das gleiche wie beim Nähen der meisten Lederwaren, z.B. von Mittelalter-Schuhen: „Pechdraht“, also gewachster Schusterzwirn aus Leinengarn. Normalerweise nimmt man den naturfarbenen, ich habe hier zum vorgefärbten gegriffen, weil mir ersterer ausgegangen war. Wem die Historizität nicht so wichtig ist, dem sei der Schusterzwirn aus Kunstfaser empfohlen, der um viele Größenordnungen reißfester ist und wahrscheinlich länger hält als der Rest der Scheide. Naturgarn kann unter Umständen beim Nähen reißen, wenn man mit der Nadel zu feste zieht. Die Innenseite des Nadelöhrs wirkt dann schneidend auf das Garn ein. Die Länge des Nähgarns sollte mindestens vier mal die Gesamtlänge der Schwertscheide betragen. Es ist sehr ärgerlich, wenn das Garn gegen Ende nicht reicht.

Ich beginne beim Nähen mit dem Ort, wo ich den Knoten auf der Innenseite der Naht setze und das Garnende unter dem Leder verstecke. Beim meiner Recherche in Sachen Schwertleder-Nahten bin ich auf lediglich zwei ganz einfache Stiche gestoßen: Einmal den simpelsten Stich überhaupt, nämlich den einfachen Saumstich (Von oben durch beide Seiten hindurch und oben wieder hinaus) und einen halbverdeckten Stich (Von oben durch eine Seite hindurch, durch die Lücke beider Seiten hinaus und dann von oben durch die andere Seite hindurch). Hier habe ich mich für Variante Eins entschieden, da mir der leicht gewellte Look des habverdeckten Stiches nicht behagt.

Während ich das Leder auf den Holzkern nähe, verleime ich es gleichzeitig mit diesem. Auch hier gilt, dass die Wahl des Leims in erster Linie vom historischen Anspruch bestimmt wird. Klebt man mit modernen Leimen, tun es Pattex oder Uhu vollkommen, es gibt aber auch speziellen Lederkleber. Welcher der im Mittelalter verwendeten Leime für diesen Zweck der Beste ist, weiß ich leider nicht, hier sollte man auf jeden Fall im Vorfeld einige Versuche durchführen oder jemanden fragen, der so etwas häufiger macht.
Das sorgt für zusätzliche Stabilität und außerdem bei der späteren Ornamentierung dafür, dass das Leder nicht unter den Wergzeugen verrutscht. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung wird das Leder vor dem Aufnähen (zumindest bei mir) nicht gewässert. Es stimmt zwar, dass sich nasses Leder besser formen und modellieren lässt, doch kann es beim Scheidenbau auch zum Verhängnis werden, wenn  sich das Leder zu sehr dehnt und wir beim Vernähen plötzlich mit viel mehr Material haben, als wir ursprünglich zugeschnitten haben. Ich vernähe das Leder weitgehend trocken und verwende Wasser nur an bestimmten Stellen.

11. Modellierung von Kanten und Rändern

Dort, wo sich die Taillierungen unter dem Leder abzeichnen, spannt sich dieses natürlich und erzeugt an den Rändern unschöne Hohlräume. Hier muss das Deckleder nachmodelliert werden, und zwar direkt nachdem wir die entsprechende Stelle beim Nähen passiert und „gesichert“ haben. Früher habe ich das mit dem Abbinden der Taillierungen erreicht, heute weiß ich es besser: Die betreffenden Ränder werden moderat angefeuchtet und mit einem abgerundeten Modellierwerkzeug bearbeitet. Entsprechende Plastik-Tools gibt es in jedem Bastelladen, traditionelle Handwerker schwören auf Knochenwerkzeuge, etwas, das ich mir unbedingt auch einmal genauer anschauen muss. Mit sanftem Druck wird das Leder an die Taillierung massiert und passt sich der Form an. Dies sollte passieren, während der Leim unter dem Leder noch nicht vollständig abgebunden hat.
Übrigens lassen sich mit dieser Methode auch unschöne Falten, Blasen und Knubbel beseitigen, die sich beim Vernähen doch noch irgendwie einschleichen sollten.

Auch der Mund der Schwertscheide muss in Form gebracht werden, denn ich will natürlich nicht, dass das Leder einfach aufhört und man das Holz zieht. Grundsätzlich lasse ich beim Zuschnitt auf der Mundseite einiges an Leder übrig und vernähe erst einmal alles vom Ort ausgehend Richtung Mund. Die Sicherheits-Marge ist wichtig, denn man weiß nie genau, wie ein dehnbares Naturmaterial wie Leder reagiert und ob nicht am Ende ein paar Millimeter fehlen. Erst, wenn ich mit der Naht am Ende angekommen bin, schneide ich das Leder ab, in diesem Fall so, dass 3 Millimeter über dem Holz überstehen. Jeweils ein kleiner Schnitt an der Kante erleichtert das Umklappen und das Leder wird über der Holzkante verleimt. Während der Leim abbindet, befeuchte ich den Rand und bearbeite das Leder mit dem Modellierwerkzeug, um die Kante abzurunden und dem ganzen noch etwas mehr Form und Glätte zu verleihen. Das Ergebnis ist ein Scheidenmund, der sich weich und exakt in die leicht gebogene Form des Kreuzes schmiegt.

12. Zwischenergebnis

Das Stück, das wir nun unten sehen, könnte bereits als fertige Schwertscheide durchgehen und ist voll funktional. Wer es einfach und puristisch mag, kann das Leder nun mit Leinöl einreiben und die Schwertscheide ein, zwei Tage zum „Bräunen“ in die Sonne legen. Das Leder nimmt dann den natürlichen rotbraunen Farbton an, den man von mit Öl imprägniertem Naturleder gewohnt ist.

Die Rückseite der Schwertscheide zeigt die Naht, die ausreichend gerade ausgefallen ist. Sollte sich ein deutlicher Nahtwulst gebildet haben, dann ist das ein Ergebnis ungenauen Zuschnitts. Ich kann nicht oft genug betonen, wie wichtig es ist dass man sich mit dem Zuschnitt Zeit lässt! Hat sich doch ein Nahtwulst ergeben, lässt sich aber mit ein paar Tropfen Wasser und dem Modellierwerkzeug abhelfen. Bei hartnäckige Wulsten kann auch ein kleiner Hammer Abhilfe schaffen. In diesem Fall ist unbedingt darauf zu achten, dass das dabei Schwert in der Scheide steckt, will man keinen Holzbruch riskieren!

 

13. Planen und Anzeichnen der Ornamentierung

Wie bereits erwähnt könnte man sich an dieser Stelle zurück lehnen und sich über eine fertige Schwertscheide freuen. Für künstlerisch veranlagte Fummler wie mich geht jedoch der Spaß erst richtig los. Ornamente müssen her! Viele Leute, die mit Leder arbeiten, verlegen sich aufs Punzieren und erzeugen lange Reihen gleichförmiger Stempelmuster. Das ist sicher hübsch und auch vielfach belegt, doch ich mag die organischen, kreativen Formen lieber und möchte meine Schwertscheide mit einem vegetabilen (pflanzenartigen) Rankenmuster schmücken. Hier den passenden Stil zu finden, ist gar nicht so leicht und man steht immer mit einem Fuß in der Fantasy-Falle.

Dem Leser, der sich für mittelalterliche Dekors begeistert, kann  ich z.B.  dieses Dokument von Antje Helwing Grewolls ans Herz legen.

Einige LeserInnen werden den Begriff „Akanthus“ kennen, eines der bekanntesten Pflanzen-Dekors der Kunstgeschichte. Akanthus meint eine bestimmte Pflanzengattung mit beiseitig stark ausgefransten Blättern. Akanthusblätter sind ein ursprünglich antikes Dekor und kamen bei uns erst mit der Renaissance in Mode. Mein gewähltes Rankenmuster ist deshalb eine „Palmette“ mit Anleihen der „Knollenblattranke“.  Da ich ein halbwegs versierter Zeichner -und dazu mit diversen Rankenstilen vertraut- bin, habe ich das Dekor freihand „aus dem Bauch heraus“ angezeichnet.  Wer sich seiner Sache weniger sicher ist als ich, sollte seine Muster auf einem Blatt Papier vorzeichnen und dann durch Abzeichnen übertragen. Zum Anzeichnen auf dem Leder empfehle ich NICHT den von mir verwendeten Kugelschreiber. Es gibt (auch auf Leder) abwaschbare Stifte wie den  „Lumocolor non-permanent omnichrom“ von Staedler. HandwerkerInnen mit maximalem historischen Anspruch werden wohl mit einem Holzkohlestift oder mit Eisengalltinte (letztere ist allerdings permanent) anzeichnen wollen.

Nach dem Vorzeichnen ziehe ich alle wichtigen Umrisslinien mit einem Lederschnitzmesser nach. Diese Messer sind bei Sattlern sehr beliebt. Man hält sie zwischen Zeige- und Mittelfinger und stützt die Hand mit dem Zeigefinger auf der bogenförmigen Fingerablage ab. Die Ablage ist drehbar angebracht, was dazu führt, dass man die Klinge beim Scheiden mit den Fingern unter der Hand drehen kann. So kommt man auch in die engsten Kurven, ohne das Leder unter dem Messer drehen zu müssen. Ein ungewohntes System, aber hat man es erst einmal verstanden (Youtube-Videos helfen) , schätzt man die Vorteile. Ich ehe davon aus, dass man solche Messer im 15. Jahrhundert nicht besaß und empfehle als historischen Ersatz jedes feine, scharfe Schnitzmesser, dass bequem und sicher in der Hand liegt. Das Leder wird vor dem Einschneiden NICHT befeuchtet!

14. Brennzeichnen (Scorching) der Umrisslinien

Die Schnitte mit dem Schnitzmesser sind kaum erkennbar, alle hier gezeigten Fotos zeigen bereits die nachgebrannten Linien.  Das Brennzeichnen verstärkt meine Umrisslinien und sorg für Tiefe. Hierfür wird das Leder lokal mit einem Tupfer oder einfach nur dem Finger befeuchtet. Ein paar Tropfen genügen. Dann ich ein passendes Werkzeug (in meinem Fall ein kleiner profaner Schraubendreher), über einer Flamme. Peter Johnsonn, von dem ich diese Technik abgeschaut habe, empfiehlt dafür eine blaue Gasflamme, ich hatte nur eine Kerze und musste immer wieder mal den Ruß von der Spitze abwischen. Nachdem das Werkzeug erhitzt ist, fahre ich damit die Schnitte entlang. Die Ränder der unsichtbaren Schnitten schnurren unter leisem Zischen zusammen und es ensteht eine tiefe, deutlich sichtbare Furche mit harten, leicht abgeschrägten Rändern. Den englischen Begriff habe ich hinzugefügt, damit interessierte Hobbyisten mehr dazu im Netz finden können.

Früher hätte ich die Linien mit kleinen Leder-Kantenhobel gezogen. Kantenhobel entnehmen der Oberfläche einen dünnen Streifen Material und erzeugen ähnlich aussehende Furchen, die Leser werden sich vielleicht noch an ähnliche Werkzeuge aus den Linolschnitt-Versuchen der Schulzeit erinnern. Die Nachteile des Aushebens sind jedoch erstens weiche Ränder und zweitens eine vergleichsweise hakelige, grobe Führung, gerade bei engen Kurven. Unten sehen wir die fertig ausgebrannten Umrisse meiner Ranke.

15. Abschrägen (Beveling) der Außenkanten durch Punzierung

Das Ornament ist noch sehr zweidimensional. Ein sehr beliebter, aber auch aufwendiger Weg, das Muster stärker hervorzuarbeiten und den Hintergrund zum Hintergrund zu machen, wäre das bei einigen Reenactment-Handwerkern und Waffenschmieden sehr beliebte Punzierung mit Stempeln, die kleine runden „Knubbel“ erzeugen. Leider findet man, wenn man sich auf die Suche nach Lederpunzen begiebt, erst einmal nur die billigen Produkte im „Western-Style“ und pseudokeltische Muster, so dass mir diese Möglichkeit für diesmal verwehrt blieb. Inzwischen habe ich einen entsprechenden Lieferanten gefunden und werde die Technik baldmöglichst ausprobieren. Da ich meine Ranke dennoch deutlicher hervorheben möchte, gebrauche ich eine andere Technik, die man im Netz unter „Beveling“ (Abschrägen) findet. Auch das tue ich mit einer Punze, und zwar einer simplen rechteckigen, die an der Unterseite deutlich abgeschrägt ist. Das Leder wird lokal angefeuchtet. Mit der tiefen Kante setze ich die Punze genau in die Furche, mit der Flachen nach außen, vom Muster weg. Mit leichten Hammerschlägen und vorsichtiger Führung der Punze drücke ich den Hintergrund rund um das Muster nach unten und erzeuge eine Art sanft abfallendem Graben rund um das Muster und innerhalb der Außenbegrenzung. Dieses Video mag am Anfang hilfreich sein.

Nun sieht das Ornament schon weitaus dreidimensionaler aus. Könnte etwas sauberer sein, aber ich bin noch mitten im Lernprozess:

16. Detail-Modellierung mittels Erhitzen

Zum Schluss der Ornamentierung geht es an die Details, denn zu einer ansehnlichen Palmette gehören die vielen Falten und Wölbungen, die mit den Schwüngen der Ranke und dem Blattwerk harmonieren.
Wie beim Einbrennen der Umrisslinien arbeite ich hier mit lokal feuchtem Leder und erhitzen Werkzeugen. Was ich genau mache, hängt vom gewünschten Effekt ab. Furchen und Falten werden mit den (heißen) stumpfen Kanten diverser Stahlwerkzeuge ins Leder gedrückt oder gestrichen.  Erhabene Wölbungen erzielt man entweder durch die Absenkung des umgebenden Leders oder durch die „Schneid-Brenn-Hebe“-Technik, siehe Bild unten. Hierzu schneide ich mit eine scharfen Bogenahle unter ruckelnden Bewegungen schräg unter das feuchte Leder und dehne es nach oben. Durch die Hitze der Ahle trocknet das Leder sofort und erstarrt in der gewünschten Form. Die verbleibende Öffnung hat einen zusätzlichen dekorativen Effekt. Auf diese Weise hebe ich Blattkanten und Rankengabelungen an. Die genaue Vorgehensweise, die Dosierung von Wasser und Hitze, das Setzen der Schnitte und überhaupt: Der ganze Modellierungsprozess sind „Gefühlssache“ und je mehr historische Dekors man sich im Vorfeld anschaut und auf Teststücken ausprobiert hat, umso schöner wird das Ergebnis.

 

Und genau jenes Ergebnis sehen wir im Bild unten. Die Tiefe des Dekors hängt nicht nur vom (in meinem Fall bescheidenen) Können des Handwerkers, sondern auch schlicht von der Dicke des Leders ab. Je dicker das Leder ist, um so mehr 3D-Effekt lässt sich erzeugen.

17. Färben

Auch das Färben des Leders ist, wie die Ornamentierung, kein Muss. Die allermeisten Schwertscheiden, die man auf historischen Gemälden erkennen kann, rangieren irgendwo zwischen Braun und Schwarz. Dort, wo eine Schwertscheide lebendige Farben aufweißt, war sie wahrscheinlich nicht mit Leder, sondern wohl eher mit einem gefärbten Stoff bezogen, z.B. rotem Samt. Ich möchte mich jetzt nicht auf das Glatteis begeben, über historische Lederfärbetechniken zu schwadronieren… da kennen sich andere besser aus. Aber ich lehne mich mal aus dem Fenster und schreibe: Mit Eisenschwärze kann man (sofern das Leder nicht alaungegerbt ist) wohl wenig falsch machen und die meisten Abstufungen von Naturbraun bis Tiefschwarz problemlos erzeugen.

Ich bekenne mich in diesem Fall ein weiteres Mal zu meiner Faulheit und verwende moderne, dunkelbraune Lederfarbe… einfach deshalb, weil ich sie noch da hatte und das Zeug verbrauchen wollte. Vom hier gezeigten Produkt würde ich allerdings eher abraten: Die Farbe basiert auf irgend einem furchtbar heftig riechendem Lösungsmittel, ist extrem deckend und bindet sehr schnell ab. Große Flächen lassen sich damit kaum gleichmäßig färben, die Farbe ist eher etwas für hervorgehobene Details. Allerdings erzeugt sie durch ihre Unruhe auch eine sehr speziellen, gealtert wirkenden „Used Look“, der mir eigentlich ganz gut gefällt.

18. Anbringen des Ortbands

Ich finde ja, dass ein schickes Ortband eine Schwertscheide erst richtig edel macht. Es gab sehr einfache und schlichte Ortbänder, die lediglich dazu dienten, die Spitze der Schwertscheide zu schützen oder ein Hinstellen der Waffe zu ermöglichen. Man sieht in der zeitgenössischen Kunst aber auch immer wieder sehr aufwendig-dekorative Ortbänder, die kleinen Kathedralen-Türmchen gleich, Status und Reichtum des Schwertträgers widerspiegeln.
Auf dem deutschen Markt findet man von der Stange nur die ganz schlichte Variante und muss gegebenenfalls einen Handwerker mit der aufwendigen Herstellung schönerer Ortbänder beauftragen. Das Designen, die Herstellung eines Wachsmodells und der anschließende Bronzeguss sind eine aufwendige Angelegenheit und solch eine Arbeit kostet schnell mehr als das ganze Schwert!

Wunderschön und preislich noch im Rahmen des Erträglichen sind die Ortbänder und Scheidenbeschläge von Tod Cutler aus Großbritannien , dessen Arbeiten, Facebook-Seite und Webshop ich hier schamlos anpreisen möchte. Mir ist kein anderer Hersteller bekannt, der derart schöne „Sword Fittings“ zu diesen Preisen herstellt. Hoffen wir, dass uns KontinentalbewohnerInnen diese Einkaufmöglichkeit trotz Brexit weiterhin erhalten bleibt…

Wenn Ihr eine Schwertscheide mit Ortband bauen wollt, rate ich dringend dazu, dieses ERST einzukaufen und dann mit dem Bau zu beginnen. Der Holzkorpus muss entsprechend geplant und in Form gebracht werden, wenn das Ortband später passen soll.
Einfaches Aufkleben ist als Verbindung nicht ausreichend, denn das Ortband dient auch dazu, die Waffe in der Scheide hinzustellen. Für bestmögliche Stabilität muss das Ortband nicht nur verleimt, sondern angebohrt und mit zwei kleinen Nägelchen gesichert werden.
Die Bohrung war kein Problem und mit einem kleinen Drehmel machbar. Vorsicht: Plant die Bohrung so, dass die Nägelchen durch den massiven Holzteil des Orts getrieben werden, nicht durch den Teil, in dem die Waffe steckt. Prüft vorher außerdem die Länge der Nägelchen, eure Schwertscheide ist eventuell flacher als gedacht.

18. Fertig! Nutzung, Pflege und Aufbewahrung

Da ist sie nun also, die fertige Schwertscheide. Ganz schön massiv sieht sie aus, trotz der dünnen Wandung. Das liegt einerseits an der breiten Waffe, andererseits auch an den etwas zu dick geratenen Taillierungen, was aber wohl auch Geschmackssache ist. Insgesamt finde ich den Eindruck sehr harmonisch, die Schwertscheide passt gut zur Waffe. Griff und Kreuzleder des Schwertes habe ich mit der gleichen Farbe nach getönt, um die Zusammengehörigkeit weiter zu unterstreichen. Für eine Gürtelmontierung fehlte mir bis dazu die Zeit, ich bitte um Verzeihung, dass ich dieses Thema auf ein anderes Mal verschieben muss.

Zur Pflege von glattem Naturleder empfehle ich ein gutes Lederfett, ich habe mit dem Elephant Leather Preserver von Colourlock gute Erfahrungen gemacht, ein paar mal dünnes Eincremen im Jahr reicht völlig.  Die Empfehlungen historischer Puristen reichen von diversen Mischungen aus Terpentin, Bienenwachs und tierischen Talgfetten bis hin zu „Gar nicht fetten!“ weil sie eine Verseifung des Leders fürchten.
Wichtig ist, dass ihr eure Schwertscheide für starker Nässe schützt. Dauerhaftes Braten in der Sonne mag das Leder auch nicht allzu sehr, insbesondere im fliegenden Wechsel mit Nässe.

Unten eine Nahaufnahme des Scheidenmunds. Man sieht noch einmal, wie schlank das Stück geworden ist.


Ein Qualitätsmerkmal einer gut passenden Schwertscheide sieht man hier: Hält man die Scheide kopfüber, rutscht die Waffe nicht hinaus.


Damit wären wir am Ende meines kleinen How-To’s. Ich hoffe, ich konnte den ein- oder anderen LeserInnen Motivation und Input liefern, es einmal selbst mit dem Bau einer eigenen Schwertscheide zu versuchen. Ich bedanke mich herzlich fürs Lesen! Für Kritik, Fragen und Anregungen verweise ich auf die Kontaktsektion dieser Website. Zum Schluss noch eine Danksagung an den großartigen Peter Johnsonn, der einige dieser Methoden rekonstruiert hat und keinerlei Vorbehalte hegt, sein Wissen mit uns Sterblichen zu teilen. Sein Können ist unerreicht und er zählt zu den besten Schwertmachern der Welt. Besucht unbedingt seine Website.

Zum Schluss folgt noch einmal eine zusammengefasste Bezugsquellenliste. Ich habe bewusst keine Preise in den einzelnen Texten angegeben, weil diese sich jederzeit ändern können. Viel Spaß beim Stöbern und Planen!

Torsten Schneyer


Bezugsquellen

Dünne Sperrholzplatten: Architekturbedarf.de

Leder: Lederversand-Berlin.de

Ahlen, Stichel, Garn und Punzenstempel: Rickert-Werkzeuge.de

(Moderne) Farben und Lederpflege: Lederzentrum.de

Metallbeschläge für Schwertscheiden- und Gürtel: Todcutler.com